Miete essen Seele auf erzählt die Geschichte des Protests der Mietergemeinschaft Kotti & Co in Berlin-Kreuzberg, der im Mai 2012 mit der Errichtung des Protesthauses Gecekondu (Türkisch für »über Nacht erbaut«) auf einem öffentlichen Platz seine erste sichtbare Manifestation fand. Was darauf folgt, ist nicht nur ein vehementes Einfordern des Rechts auf Stadt und damit ein Kampf gegen Verdrängung und Rassismus auf dem Wohnungsmarkt. Angelika Levis Film dokumentiert nämlich ebenfalls die vielfältigen Annäherungen, Begegnungen und letztlich auch neu entstandenen Freundschaften der heterogenen Bevölkerung des Kottbusser Tors.
Mai 2012, Berlin-Kreuzberg: Über Nacht taucht das Gecekondu auf einem öffentlichen Platz auf. Gecekondu, das bedeutet auf Türkisch »über Nacht gebaut« und bildete ab diesem Moment den lokalen Dreh- und Angelpunkt des Protests gegen stetig steigende Mieten im sozialen Wohnungsbau, gegen die Verdrängung von Menschen aus ihrer heimischen Umgebung und gegen den zunehmenden Rassismus auf dem Wohnungsmarkt. Kreuzberg ist ein Stadtteil, der in besonderem Maße von Gentrifizierung betroffen ist. Das Mieter- und Protest-Kollektiv Kotti & Co widersetzt sich jedoch der Polarisierungslogik des urbanen Raums, in dem finanziell schwächer Gestellte marginalisiert und an den Stadtrand verdrängt werden und fordern eine Stadt für alle. Offener Rassismus – auch von kommunaler Seite – war für den von Migranten und Migrantinnen geprägten Stadtteil dabei schon immer fester Bestandteil und zeigte sich beispielsweise bereits in den 1970er Jahren in der Prüfung der »Vorderhaustauglichkeit« einer Familie.
Die perfiden Taktiken der WohnungseigentümerInnen, drastische Mieterhöhungen kombiniert mit schlecht instand gehaltenen Wohnungen, werden von den BewohnerInnen mit lautstarker Protestpraxis und Forderungen, wie u.a. nach einer Rekommunalisierung ihrer Wohnungen, beantwortet. Diesen Forderungen liegen hierbei verständliche Motive zugrunde, sei es das soziale Umfeld, die emotionale Verbundenheit zum als Heimat empfundenen Raum und der Wunsche weiter dort zu wohnen, wo man seit langem schon lebte oder schlicht der Umstand, nicht mehr für die Miete aufbringen zu können.
In Miete essen Seele erzählt die Regisseurin Angelika Levi von selbstorganisiertem Protest, politischer Mobilisierung, von nachbarschaftlicher Solidarität, aber auch von einem heterogenen Kollektive, das sich (zusammen)findet und zeigt, dass sich Widerstand noch immer lohnt!
Festivalzentrale Gschwandner, Geblergasse 36–40 | 1170 Wien
Erreichbarkeit: U6 Alser Straße; Straßenbahn 43 Palffygasse; Straßenbahn 44 Yppengasse
Angelika Levi
wurde 1961 in Bonn/Bad Godesberg geboren. Von 1986 bis 1992 studierte sie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Im Westberlin der 1980er Jahre, das von Hausbesetzungen, dem Kampf um schwul-/lesbische Lebensformen, von Punk, Feminismus, New Wave und Drogen geprägt war, begann Levi als Filmemacherin aktiv zu werden. Das ästhetische Experiment jener Zeit, Filme ohne abgeschlossene Narration, zeigt sich auch in den Werken von Levi.
Ihre Filme wechseln zwischen der eigenen Identität und ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt, um in einem breiten Fluss von Imaginationen zu münden. Die Bilder erlauben den BetrachterInnen, den Assoziationsketten frei zu folgen, um darin eine Art Methodik der Gesellschaftsanalyse zu erkennen.
Kotti & Co
ist eine 2012 gegründete Mieter*innengemeinschaft vom Kottbusser Tor/Berlin-Kreuzberg, die sich bezahlbares Wohnen zum Ziel gemacht hat und gegen Verdrängung, Rassismus und Marginalisierung kämpft.
Ulrike Hamann
hat in Frankfurt/Main in der Politikwissenschaft/Postkoloniale Studien promoviert und arbeitet derzeit am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt Universität zu Berlin. Sie ist Teil von Kotti & Co.
Sandy Kaltenborn
ist Mitbegründer von Kotti & Co. Er beschäftigt sich mit dem sozialen Wohnbau in Berlin. Außerdem ist er Kommunikationsdesigner und betreibt das Grafikdesign- und Visual Communication-Studio image-shift. Nebenbei hat er weltweit an vielen Universitäten gelehrt.
KATEGORIEN
Wien, Film, Film-Kunst-Musik
TAGS
Recht auf Stadt, Gentrifizierung, Verdrängung, Aktivismus, Protest, Widerstand, Sozialer Wohnbau