Die Architekten gaupenraub+/- aus Wien haben ein menschliches Haus für Wohnungslose und Studierende gebaut, das urbane Wohnqualität aus knappem Raum herausholt. Stefan Karrenbauer von der Wohnungslosen-Zeitung Hinz & Kunzt konfrontiert die Innovation mit der Hamburger Unterkunfts-Realität.
Stephan Karrenbauer, Hinz und Kunzt, Hamburg
Über die Zustände in den Notunterkünften erfährt man sehr wenig. Soviel ist klar: Die Situation ist schlecht. Denn zwischen den Städten findet ein unausgesprochenes Wettrennen statt: Wer schreckt die Habenichtse am besten davon ab, in die eigene Stadt zu ziehen? In Sachen inhumane Unterkunft spielt Hamburg ganz vorne mit. Stefan Karrenbauer ist Experte fürs Thema und Mitarbeiter von Hinz und Kunzt – das Strassenmagazin wird von Wohnungslosen verkauft und ist zugleich das ernsthafteste und meistgelesene Blatt für Berichte über Kultur und selbstorganisierte Projekte in Hamburg.
gaupenraub +/- Architekten, VinziRast mittendrin, Wien
Im Wiener Unistreik 2010 lernten sich Besetzer*innen und Obdachlose kennen. Daraus entstand die Idee für Vinzirast-mittendrin, ein Projekt das ALLES richtig macht: WGs mit kleinen privaten Rückzugswohnräumen für Studierende und Obdachlose, kluge Gemeinschaftsräume, Arbeitsplätze im eigenen Café, Werkstätten für die Nachbarschaft - und zahlreiche Möglichkeiten, um sich aus dem Weg zu gehen. Und all das mitten im Zentrum Wiens. Die Architektur stammt von gaupenraub, Alexander Hagner und Ulrike Schartner, die von der Struktur bis ins Detail ein Modell für anderes, verdichtetes, sparsames und dennoch luxuriös und großzügig gedachtes Zusammenleben geschaffen haben.
„VinziRast-mittendrin, ein Wohnprojekt, das zu den spannendsten gehört, die es derzeit überhaupt gibt. Denn hier leben seit gut einem Jahr Studenten und ehemals Obdachlose zusammen, Zimmer an Zimmer, in gemischten Dreier-WGs. Wie das gelingt, das zeigt dieses umgebaute Biedermeierhaus. Es zeigt aber auch, wie Architektur helfen kann, Konflikte zu lösen. Ganz praktisch. Und dabei eine Urbanität zulässt, die wir in Zeiten von durchgentrifizierten Stadtvierteln kaum mehr kennen. Zumindest nicht hier, in bester Innenstadtlage, wo egal ob in München, Zürich, Hamburg oder in Wien eigentlich nur noch cremefarbene Hochpreisburgen hochgezogen werden für eine Klientel, die so homogen ist, als käme sie aus der Retorte. Bei solchen Häusern hört die Offenheit am Gehsteig auf, in diesem Projekt fängt sie genau dort an. Grenzen auflösen, Schwellen abbauen.“
Laura Weissmüller in der Süddeutsche Zeitung 31. August 2014
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