„Welcome to Your Lobby“ steht im Eingangscafé des Grandhotel Cosmopolis. Der Slogan ist mehr als ein doppelt wahres Wortspiel, sondern ernsthaftes Programm: Der Planung des Hotels „mit und ohne Asyl“ ging die Gründung der Lobby voraus. Das Konzept des Hauses wurde von Künstler*innen aus der räumlichen sozialen Praxis entwickelt: Erst der kunstgeprägte Treffpunkt, dann die Unterbringung.
„Welcome to Your Lobby“: Das Grandhotel startet mit kreativem Überschuss statt Mangelverwaltung und setzt ein grandioses Gegenmodell zum Notstandsurbanismus. Wie konnte dieses Modell, das zahlreiche andere Projekte inspiriert, mitten in Augsburg entstehen? Warum kriegt die behördliche Planung das nicht hin?
“(...) Augsburg. In der bayerischen Fuggerstadt haben ein paar junge Leute, Künstler*innen die meisten, keine Lust mehr, zur Zwischennutzung verwendet zu werden. Zu oft haben Sie in den vorangegangenen Jahren erlebt, dass ihre künstlerische Aktivität in den günstig gewährten Wohn- und Arbeitsräumen nur der Aufwertung eines runtergerockten Viertels diente, und dass diese Instrumentalisierung obendrein nach kurzer Zeit mit ihrem Rauswurf beendet wurde. Sie überlegten, ihr künstlerisches Eigeninteresse mit einem langfristigen, sozialen Mehrwert zu verknüpfen.
Mitten im Altstadtkern finden sie ein leerstehendes Objekt, ein aufgegebenes Seniorenheim, und schlagen der Besitzerin, der Diakonie, ein kühnes Projekt vor: Sie wollen ein künstlerisch gestaltetes Hotel daraus machen, ein Hotel für Menschen mit und ohne Asyl. Die Eigentümerin macht mit. Die Künstler*innen bauen das Haus um, erzählen der Nachbarschaft von dem Projekt. Wie zu erwarten, gibt es Unmut wegen der Geflüchteten. Doch die Künstler*innen machen weiter, performen, verkleiden sich, renovieren, machen keine Kompromisse, aber mit einladender Haltung, über ein Jahr lang.
Und sie kippen die reservierte Stimmung: Die ersten Nachbar*innen bringen alte Möbel und Lampen vorbei, jedes Stück hat eine Geschichte. Sie eignen sich das Gebäude an, werden zum Teil des Projekts: Grandhotel Cosmopolis.
Das ganze Versprechen der Stadt steckt in diesem Namen. Die Zimmer werden unterschiedlich gestaltet, ausgemalt. Als feuerpolizeiliche Auflagen dem Projekt den Garaus zu machen drohen, packt einen Chirurgen der Ehrgeiz: Er nimmt sich einige Wochen frei, ersinnt ein ungewöhnliches, absolut die gesetzlichen Normen übererfüllendes Stromnetz, legt feinste Kanäle ins Haus und baut alles ein, ohne dass die statische Struktur des Gebäudes auf den Kopf gestellt werden muss.
Ins Hotel rein geht es über eine schicke Lobby, an der Wand ein genialer Claim: Welcome to your Lobby! Das Hotel ist Lefebvre galore: Überall steht die Kunst im Vordergrund, bestimmt Räume und Atmosphären. Und eine neu erfundene Alltagspraxis, die Produktion des Raums, nicht das Helfen oder die vordergründige Politik. Deshalb ist die Lobby ein anregend gestaltetes Café, zum Lesen oder als Treffpunkt für alles Mögliche, für Musiker*innen, für Künstler*innen. Bezahlt wird, was die Gäste für angemessen halten – so können alle da sein. Hin und wieder pesen Kinder der Geflüchteten zwischen den Tischen hindurch, wie bei einem Familienfest. Informelle Gespräche entwickeln sich – die Gäste mit Asyl kennen sich selbstverständlich besser aus als der Neuankömmling, egal welchen Aufenthaltsstatus der hat. Die Gewichte und Expertisen verlagern sich.
Nicht ganz so öffentlich ist tagsüber der große Veranstaltungsraum im Keller, der nur durch einen Tresen getrennt ist von einer großen Profiküche. Eine riesige Tafel ist in der Mitte aufgebaut. Alle essen hier gemeinsam, Refugees, Supporter, Musiker*innen, Gastkünstler*innen. Nachts verwandelt sich der Raum, wird einmal die Woche zur Pizzeria, dann zum Auftrittsort für eine Band, oder zum Vortragssaal. In einem Nebenzimmer hat ein Mann aus dem Iran seine erste Installation aufgebaut, einen Teesalon mit selbstgebasteltem, farbig-ornamentierten Fenster. Einige Stockwerke darüber, unter dem Dach, gibt es Ateliers.
In einem kleinen Zimmer übt ein Mann aus Afghanistan an einem windbalgbetriebenen Tasteninstrument, singt uns ein Lied vor. Sind hier alle unterschiedslos Künstler? Eine achtjähriges schwarzes Mädchen ist sein Fan und kuschelt sich in die Polster, wenn er spielt. In einem Seitentrakt leitet ein Israeli sein tägliches interkulturelles (ich hasse sowas eigentlich) Begegnungsspiel an, aber der kriegt das hin, dass eine Gruppe etwas scheuer Studierender und die mehrsprachigen Geflüchteten im Handumdrehen miteinander spaßen, spielen und kurz darauf in intensive Gespräche vertieft sind.”
Christoph Schäfer, aus dem Vorwort zu: Das Recht auf Stadt, Henri Lefebvre, Aus dem Französischen von Birgit Althaler, Deutsche Erstausgabe, Edition Nautilus, Hamburg 2016
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